Dienstag, 7. Februar 2012

Schuhe zu verkaufen

Sie stieg stillschweigend in den Zug, und wenn sich unsere Augen nicht getroffen hätten, hätte ich die Tränen gar nicht erst bemerkt. Sie füllten ihre Augen und warteten darauf jeden Moment heraus zu strömen. Ich blickte runter auf ihre Füße und bemerkte, dass sie barfuß war; ihre Hausschuhe hielt sie in der Hand. In ihren Armen war ein Baby, gewickelt in eine strahlend blaue Decke; es gab keinen Ton von sich.

Sie näherte sich den Fahrgästen und flüsterte etwas, aber ihre Stimme wurde vom Taschentuchverkäufer übertönt: „Sechshundert Taschentücher für 2 Pfund! Fünf für 10!“
Ich war diesen Satz schon gewöhnt, da ich ihn jeden Tag ein paar Mal hörte. Und ich konnte mich darauf verlassen, dass, wenn ich jemals Taschentücher brauchte, diese nicht allzu weit weg sein würden.

Die Frau kam meiner Seite des Zuges nahe, blickte beschämt auf ihre gebrauchten abgenutzten Schuhe und sagte: „Würde das jemand brauchen? Möchte irgendjemand das von mir kaufen?“ Nervös sagte jeder nein, und keiner verstand warum sie gebrauchte alte Hausschuhe kaufen sollten. Eine Frau zog einige Pfunde heraus und versuchte sie ihr wohltätigkeitshalber zu geben. Die Frau weigerte sich etwas dergleichen anzunehmen, auch wenn es in die Arme ihres schlafenden Babys gelegt wurde. Sie gab es zurück, ging zu einem leeren Platz nahe der Tür und saß, einen besiegten Anblick vermittelnd, krumm da.

Sie senkte ihren Kopf, damit die Fahrgäste die Tränen, die über ihr Gesicht zu fließen begonnen hatten, nicht sahen. Eine Frau näherte sich ihr, kniete sich nieder und flüsterte: „Ich werde sie kaufen.“
Sie blickte hoffnungsvoll auf: „Kaufen richtig? Sie werden sie kaufen? Keine Spende, ich bettle nicht.“
Die Frau nickte lächelnd, schob einen großen Geldschein in ihre Hand, nahm die Schuhe und entfernte sich von der barfüßigen Frau.

Gleich darauf begann sich, ausgelöst durch das eben Gesehene, ein Vers vom Qur’an in meinem Kopf ständig zu wiederholen:
„(Gebt am besten aus) für die Armen, die auf Allahs Weg daran gehindert werden, im Lande umherreisen zu können. Der Unwissende hält sie wegen ihrer Zurückhaltung (ta’afuf) für unbedürftig. Du erkennst sie an ihrem Merkmal: Sie betteln die Menschen nicht aufdringlich an. Und was immer ihr an Gutem ausgebt, so weiß Allah darüber Bescheid.“ [2:273]

Ich kenne die Geschichte dieser Frau nicht, wofür sie das Geld brauchte, oder was sie damit vorhatte; was ich weiß ist, dass ihre Augen von Schmerz erfüllt waren, und ihre Schultern eine schwere Last zu tragen schienen.
Ich hatte diesen Vers mehrere Male zuvor gelesen, und mir Vorträge darüber angehört, aber nie hatte ich das wahre Gewicht dieses Verses gespürt, bis ich es vor meinen Augen abspielen sah.

Wieder begannen sich Wörter in meinem Kopf zu wiederholen, dieses Mal Wörter aus einem Hadith (Überlieferung des Propheten – Friede und Segen auf ihm):
„Anas Ibn Malik sagte: Ein Mann kam zum Gesandten und sprach:
„Oh Gesandter Allahs, soll ich es (mein Kamel) anbinden und vertrauen oder nicht anbinden und vertrauen?
Der Gesandte antwortete: Binde es an und vertraue (auf Allah)!“

Es wäre für diese Frau leicht gewesen einfach aufzugeben, zu denken, dass sie nichts zu verkaufen hatte, und daher keine Möglichkeit bestand Geld zu machen. Aber stattdessen verkörperte sie diesen Hadith. Sie nahm das Wenige, was sie hatte, dass für die Menschen im Zug nicht viel wert war, vertraute auf Allah, und bekam wahrscheinlich mehr als sie angenommen hatte. Wie Allah im Qur’an sagt:
„Und wer Allah fürchtet, dem schafft Er einen Ausweg und versorgt ihn in der Art und Weise, mit der er nicht rechnet. Und wer auf Allah vertraut – für den ist Er sein Genüge. Wahrlich, Allah setzt durch, was Er will; siehe Allah hat für alles eine Bestimmung gemacht.“ [65:2-3]

Eine Frau im Zug, die sich bemühte ihr eigenes Problem zu lösen, ließ mich in den wenigen Minuten, in denen ich sie sah, mit einer Handvoll Lektionen zurück. Sie hatte sehr wenig in ihren Händen, aber man konnte sehen, dass ihr Herz mehr als voll war. Von ihr können wir lernen, dass Allah derjenige ist, der versorgt – nicht in dem von uns erwarteten Umfang, sondern in dem Maß, den Er bestimmt. Wir können lernen, dass, auch wenn wir glauben, dass wir einer bestimmten Situation sehr wenig beitragen können – wir umdenken sollten, denn Allah, der Erhabene, könnte diesen kleinen Beitrag veranlassen über unsere Erwartungen hinaus zu gedeihen.
Und zu guter Letzt, können wir im Vers über ta’afuf und der Schönheit, die sie hervorbringt lernen, denn diese Frau barg eine unerklärliche Schönheit in der Seele.

[Übersetzt aus dem Englischen; Quelle:www.suhaibwebb.com/personaldvlpt/character/slippers-for-sale/]

Quelle: http://schams.wordpress.com

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